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Leuchtturm der Süßwarenindustrie

22. Juni 2021, von Manuela Haase

Gleiche Arbeit für gleichwertigen Lohn

Jahrelang haben Frauen am Packband gesessen und Kekse per Hand auf Qualität geprüft und in Schachteln gepackt. Im Jahr 2010 wurde die Produktion bzw. der Packprozess einer zunehmenden Automatisierung unterzogen. Das bedeutet, dass die Backware nicht mehr händisch abgepackt werden muss, sondern durch Anlagen bzw. Roboterarme erfolgt, die von Maschinenführer*innen bedient werden müssen. Damit einher ging, dass die Packhandarbeitsplätze, die ausschließlich von Frauen besetzt waren, komplett wegfallen sollten. Die letzte Handpackanlage wurde 2011/2012 automatisiert.

Unterschwellig wurde davon gesprochen, dass die Frauen keinen technischen Sachverstand haben, um die Maschinen zu bedienen, Störungen an den Maschinen zu erkennen, diese zu beseitigen und die Reinigungsintervalle durchzuführen.

Der Betriebsrat sah es als Diskriminierung an, dass Frauen nicht qualifiziert werden sollten, um die Maschinen bedienen und somit die gleiche Arbeit wie die Männer verrichten zu können. Daran gekoppelt ist zudem die Forderung, dass Frauen die gleiche Eingruppierung für die gleiche Arbeit erhalten sollten. Nach wie vor waren Frauen jedoch zwei Entgeltstufen niedriger eingruppiert als Männer und waren besonders von dem geplanten Stellenabbau im Zuge der Automatisierung betroffen. Dieser Ungleichbehandlung wollten wir als Betriebsrat entgegenwirken. Ziel war es, die Entlassungen der Frauen zu verhindern, die Frauen für die Tätigkeit der Maschinenführerin zu qualifizieren und so eine gleiche Eingruppierung für die gleiche Arbeit zu erreichen.

Hier eins von mehreren Beispielen, dass wir uns nicht ausgeruht haben und die nächste Tätigkeit angegangen sind: Aber immer noch nicht genug, wir hatten Blut geleckt und so sind wir die nächste Tätigkeit angegangen: die Eingruppierung von Kolleginnen und Kollegen in der Anlagenleitung. Der Job der Anlagenleitung wird sowohl von Frauen als auch von Männern ausgeführt. Bei insgesamt 24 Anlagenleitungen liegt der Anteil der Frauen bei 75 % (18 Frauen) und der der Männer bei 25 % (6 Männer).

Hier hat sich über die Jahre auch viel verändert, gemeinsam mit der Gewerkschaft NGG haben wir 24 Geltendmachung vorbereitet, bei denen wir die Tätigkeiten von 2012 und heute gegenübergestellt haben. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Art der Tätigkeit und damit auch die einhergehende Verantwortung im Vergleich zu 2012 deutlich verändert haben. Leider gestalteten sich diese Verhandlungen für mehr Geld für die Anlagenleitungen schwierig, denn dieser Ausgang wäre richtungsweisend für die anderen Standorte gewesen, also tat man sich da schwer. Diesen Umstand konnten wir nicht hinnehmen, sodass wir uns gezwungen sahen, mit der Frage nach der Eingruppierung der Anlagenleitung vor Gericht zu ziehen. Dabei wurde ein strukturelles Problem deutlich: In solchen Fällen gilt der Entgeltrahmentarifvertrag, an dem sich auch Richter*innen orientieren müssen. In unserem Fall handelt es sich um den Tarifvertrag von 1987 und dieser bildet die aktuellen Tätigkeiten der Anlagenleitung nicht ab. Diese Lücke gilt es zu schließen.

Die Richterin sagte klar, ihr seien die Hände gebunden. Sie sah es jedoch als Aufgabe des Arbeitgebers an, gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Zwischenlösung zu finden. Wir haben dann eine Betriebsvereinbarung zum Thema Anlagenleitungszulagen erreichen können, die gestaffelte Zuschläge für Anlagenleiterinnen vorsieht: Wer die Bedienung ein bis zwei unterschiedlicher Anlagen beherrscht, erhält 50 €, bei drei bis vier Anlagen 100 € und bei fünf bis sechs 150 € brutto zusätzlich pro Monat. Zudem wurden Gespräche unter Beteiligung von Mitarbeiterinnen, Betriebsrat und Personalabteilung geführt, um den Kolleg*innen die angemessene Wertschätzung entgegen zu bringen.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass sowohl Männer als auch Frauen, die als Anlagenleitung tätig sind, gleichermaßen von dieser Betriebsvereinbarung profitieren. Insgesamt konnte durch das Projekt erreicht werden, dass wir nun zweimal im Jahr mit der Personalabteilung die Eingruppierungen und die außertariflichen Zulagen überprüfen. Diese Überprüfung ist aus unserer Sicht besonders wichtig, um zu gewährleisten, dass eine den Tätigkeiten entsprechende Eingruppierung auch kontinuierlich in der Praxis umgesetzt wird. Zudem sind wir so immer auf dem aktuellen Stand und Ungerechtigkeiten werden schneller aufgedeckt.

Manuela Haase, Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bahlsen Deutschland, freigestellte Betriebsratsvorsitzende Bahlsen Varel, Bahlsen GmbH & Co. KG

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